Tochter über Romy Schneider: „Sie war stark und mutig“ | Tiroler Tageszeitung Online (2024)

Sarah Biasini, Tochter von Romy Schneider und Daniel Biasini, hat ein intimes Buch geschrieben. „Die Schönheit des Himmels“ erzählt von ihrer heutigen Beziehung zu ihrer Mutter, die starb, als sie viereinhalb Jahre alt war, und ihrer eigenen Rolle als Mutter. Das Buch richtet sich an ihre kleine Tochter. „Ich wollte auch erzählen, wie der Tod unsere Beziehungen zu anderen beeinflusst und besonders die zu unseren Kindern“, sagt die 44-jährige Schauspielerin im APA-Interview.

APA: Frau Biasini, Sie sind nach Wien gekommen, obwohl hier Lockdown herrscht und Ihre Buchpräsentation abgesagt wurde. Sind Sie so mutig oder hatten Sie eine solche Sehnsucht nach Wien?

Sarah Biasini: Beides. (lacht) Nein, ich denke, es braucht keinen besonderen Mut, denn es gibt auch kein spezielles Risiko. Ich treffe hier nicht sehr viele Menschen und wir halten die Kontaktregeln ein. Ich liebe den Zsolnay Verlag und bin vor allem für ihn und das Buch gekommen. Und Wien? Wenn ich in Wien bin, sage ich mir jedes Mal, dass ich öfter herkommen sollte.

APA: Wie ist derzeit die Coronalage in Frankreich?

Biasini: Ich habe Angst, dass wir schon bald den gleichen Weg wie Österreich einschlagen werden. Der Gesundheitsminister sagt: Alles wird offenbleiben, es gibt keinen Lockdown. Ich glaube, das ist genau das, was die Österreicher vor drei Wochen von ihren Politikern gehört haben. Die Theaters und Kinos sind offen und man zeigt am Eingang auf seinem Mobiltelefon seinen „Pass sanitaire“ her, aus dem hervorgeht, dass man geimpft ist. Ich glaube, in Frankreich sind 80 Prozent der Leute geimpft. Aber wir werden sehen, was passiert. Die Zahlen steigen. Die Spitäler sind noch nicht überlastet - aber es ist noch nicht zu Ende.

APA: Haben Sie in den vergangenen Monaten als Schauspielerin arbeiten können?

Biasini: Ich bin geimpft und habe im Juli beim Festival d‘Avignon gespielt. Im Herbst war ich ein wenig auf Tournee. Ende Jänner will ich wieder spielen. Aber wir werden sehen, ob das auch wirklich möglich ist.

APA: Lassen Sie uns zu Ihrem Buch kommen. „Die Schönheit des Himmels“ hat ein schönes Coverfoto. Erzählen Sie, warum Sie es gewählt haben und wer darauf zu sehen ist.

Biasini: Es ist ein Foto von meiner Mutter und mir im Alter von rund zwei Jahren. Man sieht uns im Pool des Hauses in Südfrankreich, wo wir gelebt haben. Es wurde von meinem Onkel aufgenommen. Ich liebe dieses Foto, vor allem aber den Kuss zwischen uns, zwischen Mutter und Tochter. Es zeigt gut, worüber ich schreiben wollte, über die Mutterliebe, die auch ungestüm und instinktiv sein kann. Gleichzeitig spiegelt dieser Kuss die ganze Unschuld und Schönheit dieser Welt. Und es zeigt auch, dass die Liebe eines Kindes zu seiner Mutter eine ganz besondere ist.

APA: Ihr ganzes Leben müssen Sie Fragen zu Ihrer Mutter Romy Schneider beantworten, die Sie kaum gekannt haben, da sie starb als Sie viereinhalb Jahre alt waren. Sie schreiben auch, dass Sie das ganz schön genervt hat. Nun haben Sie selbst über sie geschrieben. Warum?

Biasini: Es war mir nicht bewusst, wie sehr man an seine eigene Kindheit denkt, wenn man selbst Eltern wird. Jedenfalls ich, und vielleicht noch mehr, weil ich ein Mädchen erwartet habe. Die Frage nach der Mutter bleibt für mich eine ewige Frage. Als ich schwanger wurde, wollte ich unbedingt schreiben - und es war klar, dass ich über dieses Thema schreiben würde. Es wurde mir bewusst, welche Liebe ich bekommen habe - und welche Liebe ich geben würde.

APA: Ihre Tochter heißt Anna und wird bald vier Jahre alt. Man hat den Eindruck, es ist ein sehr geliebtes, aber auch ein sehr behütetes Kind. Sie haben große Verluste in Ihrem Leben erlitten. Seither begleiten Sie starke Verlustängste...

Biasini: Ja, absolut. Ich wollte auch erzählen, wie der Tod unsere Beziehungen zu anderen beeinflusst und besonders die zu unseren Kindern. In meiner Familie musste man plötzliche Todesfälle erfahren, darunter den Tod eines Kindes. Ich weiß, dass eine Mutter sehr jung sterben kann, und ich weiß, dass ein Kind vor der Mutter sterben kann. Wir haben das in meiner Familie erlebt, und das hat uns sehr beeinflusst: Wir lieben daher wie verrückt. Ich weiß, dass mein Vater und meine Großeltern mich auch auf diese Art geliebt haben, und vielleicht bin ich in dieser Hinsicht noch ein bisschen verrückter. Ich glaube, ich werde immer auch jenes Alter haben, das ich damals hatte, als die beiden Todesfälle passiert sind. Ein Teil von mir wird immer dreieinhalb und viereinhalb Jahre bleiben. 40 Jahre später kann ich das alles analysieren und darüber schreiben. Aber alles, was Sie in der Kindheit erlebt haben, begleitet Sie Ihr ganzes Leben.

APA: Im Buch beschäftigen Sie sich immer wieder mit Ihrer Mutter, die Sie kaum gekannt haben. Haben Sie durch das Schreiben eine andere Beziehung zu ihr bekommen?

Biasini: Ja und Nein. Es war eine Veränderung, die schon vorher in mir begonnen hat. Das Buch zeigt diese Veränderung. Ich wollte aber keine Abrechnung, sondern die Geschichte meiner Familie aus meiner Sicht erzählen, in der ersten Person, aber so, als wäre es nicht meine Geschichte, sondern die von jemandem anderen. Ich hätte sie auch ganz anders erzählen können. Aber ich wollte mir meine Geschichte wieder aneignen.

APA: Sie beschreiben auch immer wieder, wie sehr Romy Schneider in der Erinnerung der Menschen weiterlebt. Wie erklärt sich für Sie dieser Mythos, der Ihre Mutter bis heute umgibt?

Biasini: Ich glaube, dass ihre Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit die Menschen umgeworfen hat. So hat sie auch ihre Figuren gespielt. Sie hat auch in einer Zeit gearbeitet, in der Frauen sich befreit haben und die Emanzipation und Unabhängigkeit stark geworden ist. Sie hat das Leben einer modernen Frau geführt, in ihrer Arbeit, in ihrem Privatleben, mit mehreren Männern, Scheidung, Umzug und Trennungen. Sie war sehr stark und mutig. Sie hat genau gewusst, was sie wollte. Sie hatte viel Ehrgeiz und Selbstbewusstsein und wusste genau, was sie konnte. Sie war eine große Schauspielerin und sehr gut in ihrer Arbeit. Das war alles sehr wichtig für sie - und dann gab es noch diese unglaubliche Schönheit, diese unbeschreibliche Chemie. Man muss sie nur anschauen! Man hat Lust, sie stundenlang anzuschauen. Und das gab es alles zugleich: Schönheit, Intelligenz und Mut! Die Männer haben sie begehrt, und die Frauen wollten sie als beste Freundin.

APA: Was, glauben Sie, haben Sie von ihr? Im Buch gibt es eine Szene, in der Sie sich diese Frage vor einem Spiegel stellen.

Biasini: Ich weiß, dass ich ihr ein wenig ähnlich sehe, aber nicht ganz. Etwas im Gesicht habe ich auch von meinem Vater. Aber wenn ich mich im Spiegel anschaue, dann frage ich mich nicht: Hab ich dieses Detail von ihr? Oder jenes? Das sagen eher die anderen. Es geht dabei nicht nur um Schönheit. Mein Buch erzählt auch eine Geschichte von Frausein und von Weiblichkeit. Ich wollte begreifen: Wie wird man eine Frau? Wie wird man eine Mutter? Das will ich auch an meine Tochter weitergeben. Wenn ich einen Buben erwartet hätte, hätte ich dieses Buch eher nicht geschrieben. Ich habe sehr viele Fotos von meiner Mutter angeschaut und sehr viele Filme gesehen. Ich weiß, wie sie sich bewegt hat, wie sie gesprochen hat. Ich habe keinen Akzent wie sie, aber ich erkenne mich in ihrem Timbre wieder.

APA: Wenn Ihre Tochter Anna in zehn, 15 Jahren vor der Berufswahl steht und Ihnen sagen wird, dass auch sie Schauspielerin werden will. Was werden Sie ihr antworten?

Biasini: Nur zu, würde ich ihr sagen. Vor allem würde ich sie beraten, welche Schulen infrage kommen, welche Bücher sie lesen und welche Filme sie ansehen soll, um sich darauf vorzubereiten.

APA: „Die Schönheit des Himmels“ ist Ihr erstes Buch. Werden weitere folgen?

Biasini: Ich hoffe. Ich bin schon am Schreiben. Diesmal ist es mehr ein Roman.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Sarah Biasini: „Die Schönheit des Himmels“, Deutsch von Theresa Benkert, Zsolnay Verlag, 192 Seiten, 22,70 Euro, ISBN 978-3-552-07261-9)

ZUR PERSON: Sarah Biasini, geboren 1977, ist die Tochter von Romy Schneider und Daniel Biasini. Ihr Bruder David starb, als sie dreieinhalb war, ihre Mutter ein Jahr später. Sie wuchs bei ihren Großeltern auf und studierte zunächst Kunstgeschichte, ehe sie in den USA Schauspielunterricht nahm. Sie arbeitet als Film- und Theaterschauspielerin und ist mit dem Regisseur Gil Lefeuvre verheiratet. Ihre gemeinsame Tochter Anna wurde im Februar 2018 geboren.

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